Schlagwort: Tschetschenien
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Inländer, Ausländer und inländische Ausländer – vom schwierigen Zusammenleben in Russland
Es ist immer wieder das gleiche Muster. Eine oder mehrere „Personen nicht-slawischen“ Aussehens (wahlweise auch „südlichem“, „kaukasischem“ oder „zentralasiatischem“), wie es weit verbreitet im allgemeinen und auch im offiziellen Sprachgebrauch verschämt rassistisch heißt töten irgendwo in Russland einen „Russen“. Daraufhin fordert eine aufgebrachte Menge „Einheimischer“, es sei nun endlich mit den Fremden genug –…
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Nawalnyjs Ritterschlag
„Was für eine Biographie machen sie unserem Rotschopf!“ rief Anna Achmatowa, die große russische Dichterin des 20. Jahrhunderts, aus, als der Noch-lange-nicht-Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky 1964 in Leningrad von einem sowjetischen Gericht zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Ein Teilnehmer der spontanen Pro-Nawalnyj-Demonstration im Moskauer Stadtzentrum am 18. Juli, dem Tag seiner Verurteilung, seufzte auf Facebook:…
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Überall Politik
Lange war in Russland klar: Politik ist die Teilnahme an der Auseinandersetzung um institutionalisierte Macht. In der Sowjetunion gab es entsprechend keine Politik außerhalb der Partei. Oder besser: Es gab keine erlaubte Politik außerhalb der Partei. Und wer es dennoch versuchte, wurde hart sanktioniert und verschwand meist (erst) im Lager und dann (oft) in der…
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Majak und Tschetschenien – zwei russisch-sowjetische Tragödien in einer Lebensgeschichte
Die eine Tragödie, über das hier berichtet werden soll, hat keinen exakt nennbaren Beginn. Man könnte sie pathetisch „Tragödie des tschetschenischen Volkes“ nennen. Aber was würde das erklären? Wer könnte das verstehen? Verständlich werden Unglück und Leid für mich immer, wenn es um Menschen geht, um ganz konkrete Menschen. Hier um Giliani (den Nachnamen lasse…
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Vor zwei Jahren wurde in Tschetschenien Natalja Estemirowa ermordet. Die Mörder und ihre Auftraggeber sind immer noch nicht gefunden
Vor zwei Jahren wurde Natalja Estemirowa ermordet. Einige ihrer FreundInnen und KollegInnen von Memorial waren, wie ich auch, an diesem Tag beim hochoffiziellen „Petersburger Dialog“ in München. Wir verfassten, in geschockter Trauer, eine Erklärung und forderten den dort auch anwesenden russischen Präsidenten Dmitrij Medwejew auf, alles in seiner macht Stehende zu tun, um den oder…
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Oleg Orlow vom Vorwurf der Verleumdung Ramsan Kadyrows überraschend freigesprochen
Niemand hat es erwartet, ich auch nicht, umso größer ist die Freude über den Freispruch von Oleg Orlow heute durch eine Richterin des Chamowniki-Gerichts in Moskau heute. Bis zu drei Jahre hätte sie den Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums von Memorial ins Straflager schicken können. Das war zwar nach der recht milden Forderung der Staatsanwaltschaft in ihrem…
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Kadyrow gegen Orlow
Normal 0 false false false MicrosoftInternetExplorer4 Von Zeit zu Zeit muss man, auch (fast) ohne aktuellen Anlass, auf die (vor-)herrschende russische Klassenjustiz zu sprechen kommen. Nur dass es hier nicht nur um die besitzende Klasse geht, sondern wie in den schönsten Stamokap-Träumen um die besitzend Herrschenden, engst verbandelt mit den herrschend Besitzenden. So einer ist…
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Pro-europäische Überfalltechnik
Erst die noch vorsichtigen, mehr andeutenden Signale, dass sich der scharf antiwestliche Wind in Russlands Führung gedreht habe, und nun die ganze Breitseite: Eine „europäische Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok“ will der russischr Premierminister schaffen, Visafreiheit für seine Bürgerinnen und Bürger möglichst sofort, als Zeichen der Ernsthaftigkeit sozusagen. Geeignete Claqueure hatte Putin nicht nach Deutschland…
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Zum Tod von Wiktor Tschernomyrdin
Nachrufe gehören bisher nicht zum Genre dieses Blogs. Der Grund ist einfach: Wiktor Tschernomyrdin ist der erste bedeutende russische Politiker der gestorben ist, seit es den Blog gibt. Das Attribut „bedeutend“ verwende ich nicht achtlos. Wiktor Tschernomyrdins Politikerkarriere war eine des Übergangs. Mit ihm überdauerte sozusagen das alte, bürokratisch organisierte und beherrschte Russland die liberalistischen…
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Korrespondentische Ungenauigkeiten in Tschetschenien. Wie ein Artikel im Corriere della Sera lebensgefährlich wurde
Vor nicht allzu langer Zeit reiste ein Krisengebietsreporter des italienischen Corriere della Sera nach Tschetschenien. Dort war Krieg und ungefährlich ist es immer noch nicht. Nicht für Ausländer oder andere Nicht-Tschetschenen, vor allem aber nicht für Tschetschenen selbst. Wohl auch deshalb reiste ein Reporter Namens Andrea Nicastro, nicht aber der in Moskau akkreditierte Korrespondent der…