NGOs und Kreml – schon wieder schärferes NGO-Gesetz geplant

Die staatlichen Pressionen gegen NGOs mit Verbindungen zum Ausland gehen offenbar in eine neue Runde. Den Anfang hat Anfang Juni eine Änderung des NGO-Gesetzes gemacht. Seither hat das Justizministerium das Recht, NGOs, die (auch) Geld aus dem Ausland erhalten, gegen deren Willen zu „ausländischen Agenten“ zu erklären. Das Justizministerium hat bereits zehn Mal davon Gebrauch gemacht. Etwa gleichzeitig hat die Steuerbehörde mit der Überprüfung der Finanzierung vieler NGOs begonnen und fordert, entgegen bisheriger Praxis (und bisheriger Rechtsprechung), Steuerzahlungen auf Spenden.

Es scheint so, als ob der Staat, nachdem das sog. „NGO-Agentengesetz“ zwar das Ansehen unabhängiger NGOs in der Bevölkerung stark herabgesetzt, die Finanzierung aus dem Ausland aber nicht unterbunden hat, nun mit anderen Mitteln versuchen will, den NGOs den Zugang zu unabhängigen Finanzierungsquellen zu verschließen, ihn zumindest aber noch schwerer, unattraktiver und gefährlicher zu machen als er ohnehin schon ist..

Darauf weist auch eine neue Gesetzesinitiative in der Staatsduma hin. Demnach sollen künftig NGOs in zwei Gruppen eingeteilt werden, in „politische“ und „gesellschaftlich nützliche“. Erstere sollen künftig von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werden und auf Zuwendungen, sogenannten „Grants“ hohe Steuern zahlen müssen (in der Diskussion sind 35 bis 45 Prozent). Letztere sollen dagegen, analog dem deutschen Recht, als „gemeinnützlich“ anerkannt werden, so dass Spenden an sie für die Spender steuerlich absetzbar werden. Diese und andere nette Ideen haben sich die Duma-Abgeordneten angeblich in den USA, Indien und Israel abgeschaut und verweisen entsprechend polyglott auf „internationale Praxis“.

Allerdings scheint das vom Kreml erdachte Spiel ein wenig feiner ziseliert als nur mit der großen Gesetzeskeule zuzuschlagen. Vorigen Donnerstag traf sich der Rat zur Förderung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten beim Präsidenten mit dem stellvertretenden Leiter der Präsidentenadministration Wjatscheslaw Wolodin. Dort sagte Wolodin, wie Teilnehmer/innen berichten, sinngemäß Folgendes: Die sich bisher dem Agentengesetz verweigernden NGOs hätten die Wahl. Entweder sie nähmen weiter ausländisches Geld, dann müssten sie sich als „Agenten“ registrieren lassen und das NGO-Gesetz würde verschärft. Oder aber sie verzichteten auf ausländisches Geld. Dann können man über drei Dinge reden: 1. keine Gesetzesverschärfung, 2. die alten Sünden, also das Nehmen von ausländischen Geld, könnten „vergessen“ werden und 3. Es gäbe auch für „politische“ NGOs noch mehr Geld vom russischen Staat (zu seinen Bedingungen, versteht sich). Die Message von Wolodin war, so nahmen es zahlreiche Mitglieder des Rates wahr: Wir wollen Euch nicht vernichten, machen das aber, wenn Ihr nicht fügsamer werdet.

Die Frage ist, wie viele und wer fügsam werden muss, damit ein Deal zustande kommt. Es gibt schon einige „Umfaller“ (obwohl ich hier den moralischen Zeigefinger nicht allzu hoch heben möchte), aber die großen, öffentlich wichtigeren NGOs stehen bisher. Einige von ihnen, wie Memorial, können auch gar nicht anders. Für sie ist es eine prinzipielle Position, für ihre Ziele Geld aus allen zugänglichen, legalen und ethisch annehmbaren Quellen zu nehmen.

Im Herbst wird es also heiß (wenn mir diese angesichts des gegenwärtigen Wetters in Moskau mit mehr als 30 Grad ein wenig lahme Formulierung erlaubt ist).

 

 


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