Vorigen Samstag, am Morgen vor der großen Demonstration gegen Wahlfälschung in Moskau, habe ich in einer Vorahnung damit begonnen, die Ereignisse in Facebook auf Deutsch zu reportieren. Enweder durcheigene Kommentare und Beobachtungen. Oder durch die Weiterleitung von russischen Facebookposts, Blogeinträgen und Artikeln mit deutschen Kommentaren oder Zusammenfasungen. Daraus ist eine kleine, gestückelte Chronik geworden, die ich nun hier, in einer Art von Collage wieder zusammenzufügen versuche.
Die Links führen zum großen Teil auf russischsprachige Webseiten. Alle Nicht-Nicht-Facebook-FreundInnen lade ich ein, mir eine Freundschaftsanfrage zu schicken.
10.12.11
02.06 (alle Zeiten sind Moskauer Zeit)
«Professionelle Demonstrationsvorbereitung. Website mit allen Neuigkeiten und ganz oben die wichtigsten Telefonnummern: Anwälte, medizischen Hilfe, Organisationskomitee»
12.31
«So sieht heute der Revolutionsplatz gegenüber dem Bolschoj Theater aus. Hier sollte ursprünglich gegen die Wahlfälschungen demonstriert werden. Aber das war dem Staat, wohl auch angesichtsn der unmittelbaren Nähe zum Kreml, zu heiß. So haben sie ihn einfach selbst besetzt. Angeblich 50.000 Polizisten und Innenministeriumssoldaten sind heute in den Moskauer Straßen zusammen gezogen worden.»
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.1230292777123.27484.1823236270&type=3
12.33
«Aus der Arrestzelle: „Freiheit für Zelle Nummer 6!“ Mindestens sieben DemonstrantInnen weniger heute auf dem Bolotnaja Ploschtschad»
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.120595794660741.34971.100001309628736&type=3
12.36
«Lifestream von der Demonstration in Nowosibirsk, mehr als 1000 DemonstrantInnen. Rund 2000 in Barnaul, 1000 in Wladiwostok.»
13.49
«4000 DemonstrantInnen in Krasnojarsk, 1000 in Wladiwostok, mehrere tausend in Nowosibirsk, 2000 in Barnaul. Die Demonstrationen gegen Wahlfälschung bewegen sich mit der Zeit nach Westen.»
14.19
«Die Demonstration gegen Wahlfälschung
auf dem Bolotnaja Ploschtschad in Moskau hat begonnen. Bisher sind
rund 15.000 Menschen gekommen.»
14.43
«In der Redaktion der Nowaja Gaseta in
Moskau funktionieren seit heute Morgen weder Telefon noch Internet.
Angeblich ein technisches Problem beim Provider, an dessen Lösung
„mit Hochdruck gearbeitet wird“.»
15.10
«Die Tageszeitung Wedomosti berichtet
in ihremLive-Blog, dass die Veranstalter nun von 50.000
DemonstrantInnen ausgehen. Die wichtigsten Losungen fordern Neuwahlen
in Moskau, Wiedereinführung der Direktwahlen des Moskauer
Bürgermeisters. Vereinzelt wird auch „Russland ohne Putin“
gefordert.»
15.59
«Und das Wichtigste: ALLES FRIEDLICH
IN MOSKAU!!!»
17.18
«Aktuelle Zahlen aus Moskau: Die
Plizei spricht von 25.000 TeilnehmerInnen an der Demonstration gegen
Wahlfälschungen. Die OrganisatorInnen nennen Zahlen zwischen 50 und
80.000. Dazwischen wird es wohl irgendwo liegen. Besonders wichtig
aber: KEINE FESTNAHMEN! KEINE GEWALT! Bisher ein sehr guter Tag für
die russische Demokratie!!»
18.41
«Die Demonstration gegen die
Wahlfälschungen in Moskau ist zu Ende. Die wichtigsten Forderungen
(Unterstützt durch lautstarke Zustimmung der DemonstratInnen):
Rücknahme des Wahlergebnisses, freie und faire Neuwahlen und
Ablösung des Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission Wladimir
Tschurow. Da wohlk niemand damit rechnet, dass diese Forderungen von
den Machthabern nun flink erfüllt werden, findet die nächste
Demonstration in zwei Wochen am 24. Dezember statt.»
21.41
«Es sieht ganz nach politischer
Einsicht bei Putin aus, zumindest darein, dass man mit der bisherigen
harten Linie (DemonstrantInnen verhaften und das Ausland
verantwortlich machen, ansonsten: keine Kompromisse) gegenwärtig
nicht weiter kommt: Sowohl das erste als auch das zweite
Fernsehprogramm, sonst auf besonders abstoßende Art stets im Dienst
des Regimes, haben über die Demonstrationen heute im Land und
besonders über die in Moskau wie wirklich gute JournalistInnen
berichtet – mit neutral-berichtendem Ton, O-Ton-Einspielungen der
DemonstrantInnen, Zahlenangaben sowohl der Polizei als auch der
OrganisatorInnen. Nur Putin selbst traut sich noch nicht. Sein
Pressesprecher verweigert bisher jeden Kommentar. Vielleicht erübrigt
sich der ja mit der Zeit.»
21.45
«Fünf Forderungen der
DemonstrantInnen heute:
- Freilassung aller in den
vergangenen Tagen während Demonstrationen Verhafteten; - Annulierung der Wahlergebnisse vom
4. Dezember und Ansetzung neuer Wahlen; - Entlassung von Wladimir Tschurow,
dem Leiter der Zentralen Wahlkommission, und gründliche
Untersuchung seiner Amtsführung; - Annahme einer neuen
Wahlgesetzgebung; - Untersuchung aller bekannt
gewordenen Fälle von Wahlfälschung.»
11.12.2011
13.35
«Ich muss meinen Posts von gestern ein
wenig korrigieren: Zwar gibt es keine Meldungen über Festgenommene
in Moskau, aber insgesamt wurden bei den mehr als 130 Demonstrationen
gegen die Wahlfälschungen in ganz Russland mehr als 400
DemonstratntInnen festgenommen: 100 in Kasan, 100 in Syktywkar, 50 in
Belgorod, 29 in St. Petersburg, 20 in Komsomolsk-na-Amure, 20 in
Kurgan, 17 in Jekaterinburg, 15 in Tjumen, 15 in Perm, 10 in Rostow
am Don, 7 in Machatschkala, 1 -3 in einer ganzen Reihe anderer
Städte. Dieses Zahlen hat die Interregionale Informationsgruppe
zusammen
getragen.»
https://www.facebook.com/mig1012/posts/337110862972259
18.06
«ReSolution
- Sofortige Freilassung aller
politischen Gefangenen - Die Resultate der gefälschten
Wahlen annulieren - Tschurow in den Ruhestand schicken
- Die Wahlfälschungen untersuchen
- Die Schuldigen bestrafen
- Neuwahlen durchführen
Frist: 24.12.2011
Stempel: Zivilgesellschaft der
Russischen Föderation»
20.21
«Erste Äußerung von oben (wenn man
bei Medwedjew noch davon sprechen kann): Demonstrationen legitim,
aber es gebe „keinen Grund“ an der Korrektheit des
Wahlergebnisses zu zweifeln. Also gebe es „keinen Anlass das
Wahlergebnis zu verändern“. Als Spitzenkandidat von Einiges
Russland darf man Medwedjew, als Präsident „Garant der
Verfasung“ wohl mit gutem Rceht befangen nennen.»
20.32
«Starke Worte des Sprechers der
Russisch-Orthodoxen Kirche Wsewolod Tschaplin: „Das Wichtigste
heute ist, (…), kein neues 1905, 1917, 1991, 1993 zuzulassen“.
Was ist das? Angst? Eine Warnung? Sorge der Kirche um den
Zusammenhalt der Gesellschaft?
http://top.rbc.ru/politics/11/12/2011/629313.shtml
22.32
«Arkadij Ljubarew von GOLOS: „Wenn
man die diesjährigen Resultate von Einiges Russland mit denen von
vor vier Jahren vergleicht, dann kann man sehen, dass der Umfang der
Fälschungen nicht sehr viel größer geworden ist: von
13,8,Millionen Stimmen auf 15,8 Millionen. Aber vor dem Hintergrund
des großen Rückgangs der ’normalen Stimmen‘ für Einiges Russland
(von 30,9,Millionen auf 16,2 Millionen) haben die Fälschungen eine
ganz andere Bedeutung bekommen. Wenn Einiges Russland 2007 auch ohne
Fälschungen die absolute Mehrheit der Stimmen und Mandate bekommen
hätte (aber nicht die ihr so notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für
Verfassungsänderungen), so geht es jetzt darum, dass die Mehrheit
der Mandate nur aufgrund von Fälschungen erreicht wurde. Mit anderen
Worten: Die Ergebnisse der Wahlen geben nicht den Willen des
russischen Volkes wieder.“
http://www.golos.org/news/4533
12.12.2011
01.35
«12. Dezember – Tag der Verfassung in
Russland
Artikel 3
- Träger der Souveränität und
einzige Quelle der Macht in der Russischen Föderation ist ihr
multinationales Volk - Das Volk übt seine Macht
unmittelbar und ebenso durch die Organe der staatlichen Gewalt und
die Organe der örtlichen Selbstverwaltung aus. - Höchster unmittelbarer Ausdruck
der Macht des Volkes sind Referenden und frei Wahlen. - Niemand darf sich die Macht in der
Russischen Föderation aneignen. Die Annexion der Macht oder die
Aneignung von Machtbefugnissen wird durch ein föderales Gesetz
verfolgt.»
13.45
«Der Pressesprecher von Putin, Dmitrij
Peskow, sagt, selbst wenn alle Klagen über Wahlfälschungen stimmen
würden, das nur maximal 0,5 Prozent der Stimmen beträfe, also
keinen Einfluss auf das Wahlergebnis habe. Auch Generalstaatsanwalt
Jurij Tschajka sieht keinerlei Gründe zur Änderung des
Wahlergebnisses.
Gleichzeitig und folgerichtig hat das
Bündnis „Für faire Wahlen“ eine neue Demonstration für
den 24. Dezember angemeldet.»
17.13
«Milliardär Michail Prochorow erklärt
Kandidatur zur Präsidentenwahl. Das Projekt „Prochorow“
wird also wieder aufgenommen. Nur wessen Projekt ist das?“
http://www.newsru.com/russia/12dec2011/prohorov.html
13.12.2011
12.21
«Die „Stiftung Öffentliche
Meinung“ (FOM) erklärt, erstmals seit 1999 nicht die Resultate
ihrer wöchentlichen Umfragen zum Politiker-Rating zu
veröffentlichen. Sind die Werte für Putin so schlecht? Vorige Woche
lag er noch bei 55 Prozent.»
14.44
«Wohl die ersten rollenden Köpfe!
Alischer Usmanow, Milliardär (laut Forbes Nr. 35 in der Welt und Nr.
5 in Russland), eng mit Gasprom und dem Kreml verbandelt, hat den
Chefredakteur des Nachrichtenjournals „Kommersant-Wlast“
Maxim Kowalskij und den Generaldirektor der „Kommersant-Holding“
Andrej Galijew entlassen. Sie hätten die „journalistische
Ethik“ verletzt. Offenbar geht es um die Berichterstattung zu
den Wahlfälschungen. Kommersant-Wlast hatte unter anderem Fotos von
Wahlzetteln abgedruckt, die von WählerInnen mit wüsten
Beschimpfungen versehen worden waren. Gerüchte über starken Druck
auf das Journal und die im gleichen Verlag erscheinende Tageszeitung
Kommersant, die kritische Berichterstattung über die Wahlen zu
zügeln, gab es schon einige Tage.“
http://www.newsru.com/russia/13dec2011/kommer.html
14.57
«Nun kommen auch noch aus Deutschland
schlechte Nachrichten für die Putins: ‚Geldwäsche in Russland. Putins mann für Dollars’“
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geldwaesche-in-russland-putins-mann-fuer-dollars-1.1233044
14.12.2011
11.30
«Es ist, neben vielem anderen, einfach
würdelos. Bei einem Treffen mit Medwedjew gestern waren sich KP-Chef
Sjuganow und Schirinowskij-Sohn Lebedew (er ist
Duma-Fraktionsvorsitzender der väterlichen Partei) mit Medwedjew
einig, dass die Demonstrationen gegen Wahlfälschungen „Unruhen“
seien und „natürlich Intrigen amerikanischer Geheimdienste“.
Gleichzeitig klagen sie über Fälschungen zu ihren Ungunsten. Ruhig
gestellt werden sollen sie mit der Hälfte der Ausschussvorsitze in
der neuen Duma. Jämmerlich.»
19.31
«Offener Brief der Mitarbeiter des
Verlagshauses Kommersant an den Mehrehitsaktionär Alischer Usamanow,
der gestern wegen zu kritischer Berichterstattung den Generaldirekter
des Verlags und den Chefredaktuer der Zeitschrift „Kommersant-Wlast“
entlassen hatte. Überschrift: „Wir werden zur Feigheit
gezwungen“
http://www.openspace.ru/media/paper/details/32772/»