Als im Sommer das sogenannte „NGO-Agentengesetz“ beschlossen und von Präsident Putin unterzeichnet wurde, hielten die InitiatorInnen aus Duma und Kreml KritikerInnen vor, das Wort „Agent“ sei in der Bedeutung von „Versicherungsagent“ gebraucht, also etwas ganz und gar technisch-harmlosen. Auch deutsche, des Russischen nicht mächtige GesprächspartnerInnen fragten mich noch vergangene Woche beiem Petersburger Dialog, ob an dieser Behauptung nicht etwas dran sein könne. Gemeint war wohl, ob nicht die Aufregung unter russischen NGOs und ihren ausländischen PartnerInnnen wie der Heinrich Böll Stiftung ein wenig übertreiben sei. Da hatte das Levada-Zentrum im Auftrag von Memorial bereits in einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, das mehr als 70 Prozent der Befragten ganz eindeutige Assoziationen beim Wort „Agent“ haben: Spione und Vaterlandsverräter.
Seit heute gibt es keinen Zweifel mehr. Auf Wände und Türe mehrerer NGOs (darunter bei Memorial, der Moskauer Helsinki Gruppe und „Für Menschenrechte“) sprühten „Unbekannte“ in der Nacht „Ausländischer Agent“, auf das jeder „anständige“ russische Bürger wisse, wer hier wohne oder arbeite. Vor dem Gebäude von Transparency International Russland demonstrierten Mittwoch Mittag vielleicht 20 AktivistInnen der „Jungen Garde“, der Jugendorganisation der Kremlpartei Einiges Russland. Die Hexenjagd hat begonnen. Wie sagte noch Putin im Sommer im Gespräch mit dem Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin (der ihn davon zu überzeugen versuchte, das Gesetz nicht oder nicht so in Krfat treten zu lassen): „Wir brauchen das Gesetz!“
Memorial bekräftigt auf seiner Webseit die Erklärung von September, sich keinesfalls als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen:
„21. November: Gesetz über „ausländische Agenten“ tritt in Kraft
In der Nacht zum 21. November wurde das Gebäude von Memorial in der Malyj Karetnyj Pereulok mit der Aufschrift „Ausländischer Agent. ♥ USA” versehen. Neben der Tafel “Memorial” wurde ein Aufkleber mit dem Text “Ausländischer Agent” angebracht.
Diese Aktion von Unbekannten geschah nicht zufällig am 21. November. Eben heute tritt das sogenannte „NGO-Agentengesetz“ in Kraft, ein Gesetz, das Memorial für amoralisch und ungesetzlich hält.
Memorial bekräftigt seine ursprüngliche Position: Wir haben nicht vor, und als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen. Das Auftauchen dieser Aufschriften an den Wänden des Gebäudes von Memorial werten wir als eine bewusste Beleidigung des Gedenkens an viele Millionen Menschen, die im Gulag umgekommen sind.“