Im vorigen Sommer wurden deutsche Atommüllexporte nach Russland nach über vielen Jahren Protest von deutschen und russischen Umweltgruppen endlich eingestellt (siehe in diesem Blog: Atommüll aus Deutschland – strahlt nun in Russland und
Atommüllexport nach Russland – fünf Jahre Protest, nun endlich Skandal). Seit 1996 hat die Firma Urenco, die die Urananreicherungsanlage in Gronau betreibt, 27.300 Tonnen radioaktives und hochgiftiges Uranhexafluorid nach Sibirien transportieren lassen. Doch nur 10 bis 15 Prozent des Materials kamen wieder nach Gronau zurück. Der Rest, sogenanntes „abgereichertes“ Uran, das als Brennstoff nicht mehr verwendet werden kann, wird in Sewersk (bei Tomsk) und Angarsk (in der Nähe von Irkutsk) in Fässern unter freiem Himmel gelagert. Dass sei, so Urenco, bei Anreicherungsverträgen so üblich. Sowohl Urenco als auch der staatliche russische Atomkonzern Rosatom behaupten, das abgereicherte Uran lagere in Sibirien sicher. Das kann nun aber nach aller Erfahrung mit dem Umgang mit radioaktiven Stoffen in Russland füglich bezweifelt werden. Russische Umweltschützer haben dazu in den vergangenen 20 Jahren eine schier überwältigende Menge an Beweisen gesammelt. Fasst man alle diese Informationen zusammen, ist es keine Übertreibung zu behaupten: Es gibt keine sichere Lagerung von Atommüll in Russland.
Die Umweltaktivisten hefteten sich das Ende der Transporte im August 2009 auch als ihren Erfolg an die Brust. Urenco verwies dagegen kühl auf die bald auslaufenden Verträge mit den russischen Geschäftspartnern. Es scheint als habe Urenco Recht gehabt. Denn nun soll mindestens noch ein weiterer Transport folgen: Ende des Jahres sollen abgebrannte Brennelemente vom Forschungsreaktor
in Dresden -Rossendorf nach Russland transportiert werden. In einem Artikel beschäftigt sich auch „die tageszeitung“ unter der Überschrift „Castor nach Russland illegal?“ mit der Vorhaben. Die russische Umweltgruppe Ecodefense! wendet sich in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel und die zuständigen MinisterpräsidentIn Kraft (NRW) und Ministerpräsident Tillich (Sachsen) mit der Aufforderung, die Transporte zu verhindern:
Frau Angela Merkel, Bundeskanzlerin
Frau Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen
Herrn Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen
5.10.2010
Sehr geehrte Frau Merkel, sehr geehrte Frau Kraft, sehr geehrter Herr Tillich,
Ende des Jahres sollen abgebrannte Brennelemente vom Forschungsreaktor
in Dresden -Rossendorf nach Russland transportiert werden. Angesichts
der hohen Unfallgefahren, der Gefahr des Diebstahls von
Nuklearmaterial und der zusätzlichen Umweltschäden, die dieser
deutsche Atommüll nach Russland mit sich bringen wird, bitten wir Sie
dringend, diesen gefährlichen Transport sofort abzusagen.Ein Transport
von Atommüll in die russische Plutoniumfabrik „Majak“ ist
unverantwortlich und geradezu zynisch. Durch die Wiederaufbereitung
der Rossendorfer Brennelemente in „Majak“ werden riesige Mengen
weiteren Atommülls produziert. Dieser wird in Russland gelagert
werden. Er wird das Land und das Wasser in der Region Tscheljabinsk,
in der sich die Plutoniumfabrik „Majak“ befindet, noch zusätzlich
radioaktiv kontaminieren.
Seit ihrer Inbetriebnahme 1949 hat die Plutoniumfabrik „Majak“ durch
mehrere atomare Unfälle traurige Berühmtheit erlangt. Inzwischen sind
23 Tausend Quadratkilometer Fläche in der Umgebung von „Majak“
radioaktiv verseucht. Über 5000 Menschen leben immer noch auf
verstrahltem Gebiet, weil die russische Regierung für deren Umsiedlung
nicht die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellt. Und während
Tausende in der Region um die Plutoniumfabrik „Majak“ weiterhin
radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind, hat die russische Regierung
die Einfuhr von deutschem Atommüll genehmigt. Dieser wird die Region
Tscheljabinsk noch zusätzlich radioaktiv belasten. Seit 60 Jahren
belastet der nukleare Müll von „Majak“ die Umwelt der Region
Tscheljabinsk, erhöht die Sterberate der Bevölkerung, kontaminiert die
Flüsse vor Ort, ja sogar das Polarmeer.
2010 haben sich die Umweltgruppe „Ecodefense“ und 23 Bewohner von
Dörfern der direkten Umgebung von „Majak“ mit einer Klage gegen die
russische Regierung an ein russisches Gericht und gleichzeitig an den
Europäischen Menschengerichtshof gewandt. In diesem Schritt sahen die
Opfer der radioaktiven Strahlung die letzte Möglichkeit, Gerechtigkeit
zu erfahren. Wir bitten Sie: verhalten Sie sich nicht so wie die
russische Regierung, die das Leid der Menschen in der Region
verursacht! Stoppen Sie die geplante Ausfuhr von deutschem Atommüll
nach Russland! Wir bitten Sie desweiteren: übermitteln Sie Ihren
russischen Kollegen, dass es unmoralisch und unmenschlich ist, die
Strahlenopfer weiter leiden zu lassen.
Im Namen des Vorstandes der Gruppe „Ecodefense“,
Vladimir Slivyak, Ko-Vorsitzender