Der 56-jährige Moskauer Sergej Machnatkin wurde am vorigen Mittwoch in Abwesenheit zu zweieinhalb Jahren verschärfter Lagerhaft verurteilt, weil er angeblich einen Polizisten geschlegen haben soll. Machnatkin war am 31. Dezember 2009 bei einer der Demonstrationen zum Schutz von Artikel 31 der russischen Verfassung auf dem Moskauer Triumpfplatz festgenommen worden, so wie veilen andere Teilnehmer und Teilnehmerinnen der nicht genehmigten Demonstration, unter ihnen auch die 82-jährige Vorsitzender der Moskauer Helsinki Gruppe, Ludmila Alexejewa. Damals wurde Machnatkin vorgeworfen, die Polizeiabsperrungen missachtet zu haben. Nach einer Personenfeststellung auf der Polizeiwache wurde er, ebenso wie die anderen Festgenommenen, nach wenigen Stunden wieder frei gelassen.
Sergej Machnatkin schrieb daraufhin eine Beschwerde, weil er bei der Festnahme, wie ihn die Nowaja Gazeta in ihrer Ausgabe vom 11. Juni 2010 zitiert, jeder Milizionär an dem er bei der Festnahme vorbei geführt worden sei, geschlagen habe. Nach seiner Beschwerde hörte Sergej Machnatkin erst am 1. Juni wieder etwas von der Miliz, als er zur Aussage auf die Wache gebeten wurde. Dort wurde er festgenommen und erfuhr, dass schon am 11. Januar gegen ihn ein Strafverfahren auf der Grundlage von § 318, Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs (Gewalt gegen einen Staatsvertreter mit Gefahr für Gesundheit oder Leben“) eingeleitet worden war. Angeblich war ihm diese Anschuldigung bereits am 26. Februar zur Kenntnis gebracht worden, was Machnatkin bestreitet.
Nach der Festnahme ging alles ganz schnell. Schon am 8. Juni verhandelte das zuständige Gericht. Sergej Machnatkin, der im Untersuchungsgefängnis sofort nach seiner Festnahme einen Hungerstreik begonnen hat, gelang es Ludmila Alexejewa einen Zettel zuzustecken (Faksimile in der Nowaja Gaseta), in dem er klagt, im Gefängnis geschlagen zu werden. Im Gericht sagten 8 Milizionäre gegen den Angeklagten aus, der von einem Pflichtanwalt vertreten wurde. Die Anklage behauptet, Sergej Machnatkin sei festgenommen worden und habe dann, schon im Polizeibus, einem Miliz-Sergeanten mit einem Kopfstoß ins Gesicht die Nase gebrochen. Die Aussagen von Demonstranten zugunsten von Sergej Machnakin wurden, wie das Menschenrechsportal hro.org schreibt, vom Gericht ignoriert, da die Zeugen „voreingenommen“ seien.
Machnatkin selbst sagt aus, gar nicht an der Demonstration teil genommen zu haben, sondern zufällig vorbei gegangen zu sein. Die Internetzeitung „Grani.ru“ schreibt, Sergej Machnatkin sei festgenommen worden, nachdem er Milizionäre angehalten habe, eine ältere Frau nicht zu schlagen. Im Polizeibus sei er dann mit Handschellen angekettet und von eimen Milizionär in Anwesenheit von 9 Zeugen gewürgt worden.
Oleg Orlow, Vorsitzender der Menschenrechtszentrums Memorial nennt die Strafe „drakonisch“. Andere Oppositionsgruppen, wie die Bewegung Solidarnost sind der Meinung, dass das Urteil so hart ausgefallen ist, um andere Demonstranten abzuschrecken. Werner Schulz, grüner Abgeordneter des Europaparlaments und stellvertretender Vorsitzender der EU-russischen Parlamentariergruppe kritisiert die Verurteilung von Sergej Machnatkin in einer Erklärung scharf: „Der Skandal liegt nicht nur in der Verurteilung selbst oder der Missachtung von Verfahrensrechten, sondern insbesondere in der Botschaft, die an alle Andersdenkenden gerichtet ist.“