Gebt Gas!

Es sieht fast aus wie ein Dejà vue. Wer auch immer auf russischer und ukrainischer Seite (Gasprom und Naftagas, die beiden Regierungen oder die beiden Präsidentenadministrationen, Rosukrenergo) verhandelt (und bevollmächtigt ist zu verhandeln), in welchem Stadium welche Verhandlungen sind und worum es geht, bleibt den Beobachtern (und also auch den Gaskunden) verborgen. Niemand westlich des Bugs blickt mehr durch, wer nun welche Verträge, internationalen Konventionen, Abkommen und sonstwas verletzt (außer vielleicht den deutschen Anteilseignern an Gasprom und einigen österreichischen und italienischen Banken, aber die schweigen aus Eigennutz). Doch egal, ob nun auf ukrainischer Seite Gas geklaut wird, wie die Russen behaupten, oder Russland mit dem Gas als Waffe die widerspenstige Ukraine gefügiger machen will, das Ergebnis ist klar: Jenseits der ehemals sowjetischen Grenzen kommt immer weniger Gas an. Und das nervt!

Eines ist aber anders als vor zwei Jahren. Und das ist das „ob“. Denn damals war allen klar, wer der Bösewicht ist: Russland, das am Gashahn dreht. Als Rache für eine kapitale Niederlage namens „Orangene Revolution“. Heute, so schreiben die KommentatorInnen, könnten auch auf ukrainischer Seite Gauner sitzen. Die russische Staatsführung (und hier kann man Gasprom getrost mit einbeziehen) hat also gelernt. Zumindest auf der Kommunikationsebene. Dahinter bleibt purer Kampf. Um die Ukraine. In der Ukraine und in Russland. Und schmutzige Geschäfte. Die sind Teil des Kampfes. Denn noch enger als im darob oft gescholtenen kapitalistischen Westen sind im neuen wilden Osten die Verbindungen von Macht und Kapital, ja bedeutet der Zugang zu den Ressourcen den Zugang oder das Halten der Macht.

Sowohl in Russland als auch in der Ukraine kämpfen die herrschenden Eliten um den Machterhalt. Das ist ein Machtkampf eher untereinander denn gegen irgendwelche äußeren Gegner oder gar Newcomer. Das macht ihn aber nicht unerbittlicher. In der Ukraine geht es um das politische Überleben von Präsident Juschtschenko und seiner Politik der institutionellen Integration in westliche Strukturen wie NATO und die EU. In RusSland geht es der Putin-Elite darum, die Wirtschaftskrise an der Macht zu überstehen. Sie sitzen viel fester als Juschtschenko im Sattel und sehen deshalb in der Krise wahrscheinlich auch eine Möglichkeit den Einfluss Russlands gegenüber dem Westen zu erhöhen.

Was ist die Lehre für die EU aus dem Streit? Wie immer es auch ausgeht, russisches Gas kann auf dauer nicht mehr sein als eine Übergangslösung zu einer auf erneuerbarene Energiequellen fußenden Energieversorgung. Auch das Klima wird es danken. Leider gab es diese Erkenntnis vor zwei Jahren schon einmal – bis die Wirtschaftskrise kam. Vielleicht merken die europäischen Regierung nun, wie Kurzsichtig nicht nur ökologisch, sondern auch politisch die Abkehr von ehrgeizigen klimapolitischen Zielen ist. Solange bleibt nur die flehende Bitte nach Osten: „Gebt Gas!“


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