Vor fast genau einem Monat, Anfang August, schrieb ich meinen letzten Blogeintrag vor dem Sommerurlaub, leichtest bekleidet in selbst abends und nachts brütender Hitze, aus allen Poren schwitzend und zudem von Zeit zu Zeit wegen der rauchgeschwängerten Luft hustend. Moskau, schon sonst nicht gerade der lebensfreundlichste Ort, schien zu einer Vorhölle geworden. Ich hatte große Glück (dessen Größe konnte ich damals noch gar nicht abschätzen). Vor allem aber hatte ich eine Perspektive: In zwei Tagen würde ich diese so unwirtliche Stadt verlassen können. In den kommenden Wochen verfolgte ich das russische Hitzedrama in der Tagesschau, den heute-Nachrichten, auf BBC-World und vor allem auf Russia Today (RT), dem englischsprachigen Kremlpropagandasender für Nicht-Russisch-Sprechende.
Der Kontrast in der Berichterstattung konnte größer nicht sein. Während die Reportagen und Berichte der deutschen KorrespondetInnen aus Russland vor allem die Hilflosigkeit der russischen Führung angesichts der Naturkatastrophe betonte, konzentrierte sich RT auf deren Erfolge bei ihrer Bekämpfung: Täglich grüßten Putin am Steuerknüppel eines Löschflugzeug oder Medwedjew aus seinem Kommandostand im Kreml (Anmerkung am Rande: In der RT-Version der Wirklichkeit war Putin eindeutig der energischere, tatkräftigere der beiden). Nur eines kam fast nicht (ARD, ZDF, BBC) oder gar nicht vor: der Klimawandel.
Erst ein britischer Metereologe, dessen Namen ich leider vergessen habe, klärte auf BBC-News dann auf: Das äußerst stabile Hitzehoch über Zentralrussland und der ungewöhnlich starke Monsun in Pakistan seien zwei Seiten einer Medaille – und hingen beide mit dem Klimwandel zusammen. Zu ähnlichen Schlüssen kamen schon Anfang August auch Schweizer MeteorologInnen. In einem Beitrag in der Moscow Times fordert der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf die russische Führung auf, angesichts der beispiellosen Hitzewelle endlich anzuerkennen, dass der Klimawandel erstens tatsächlich da sei und zweitens eine Bedrohung auch für Russland, die energiosche Maßnahmen verlange.
Doch selbst die ersten offensichtlichen russischen Klimaopfer, die Sterberate in Moskau lag in den Hitzewochen um 50 Prozent über den für diese Jahreszeit sonst üblichen Zahlen, führen bisher nicht zu einer Änderung, weder der Politik, noch des Bewusstseins der russischen Bevölkerung. Der Klimawandel bleibt der russischen Öffentlichkeit fremd. Dabei gab es immer wieder gute Ansätze, wie die im vorigen Dezember beschlossene „Klimadoktrin“, die durchaus richtige Dinge beinhaltet und der zufolge Russland energische Maßnahmen zur ökologischen Erneuerung seiner Wirtschaft und eine starke Senkung des Energieverbrauchs benötige.
Schon 2008 hatte Präsident Medwedjew einen Ukas unterzeichnet, der als Ziel festlegte, die Energieeffizienz des Landes bis 2020 um 40 Prozent zu erhöhen. Ehrgeizig, aber richtig. Allerdings gibt es ein Problem damit. Die Steigerung der Energieeffizienz hat nichts mit der Reduzierung von CO2-Ausstößen zu tun. Die Steigerung der Energieeffizienz wird einzig mit Modernisierung und Kostenersparnis, also ökonomischer Effektivität begründet, aber nicht mit einem Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.
Diese, man könnte es nennen Ignoranz, hat durchaus rationale, wenn auch kurzsichtige Gründe. Angesichts von geographischer Lage und Wirtschaftsstruktur, sprich Kälte und Abhängigkeit vom Verkauf von Gas und Öl, dürfte Russland eines der Länder sein, die bei einer Decarbonisierung der Energieversorgung am wenigsten zu gewinnen und am meisten zu verlieren haben. Nun ist es aber so, dass diejenigen, die das Land regieren auch (und das ist in den meisten Fällen druchaus sehr persönlich gemeint) am meisten vom Öl- und Gasverkauf – und verbrauch profitieren. Und sie sind (oder waren es zumindest in den vergangenen zehn Jahren) auch klug genug, aureichend viel des so erworbenen Reichtums nach unten durchsickern zu lassen. Eine ganze Nation hängt so am Kohlenwasserstofftropf.
Leider scheint es so, dass die Hitze und der Rauch, die noch vor zwei Wochen in Moskau das Leben unerträglich machten, im Regen und der frühherbstlichen Kälte ganz schnell vergessen werden. Ebenso wie die im Sommer überfüllten Moskauer Leichenhallen, die verbrannten DorfbewohnerInnen, die toten Feuerwehrleute und die mehrere Tausend, die ihre Häuser oder ganze Dörfer verloren haben. Es wäre aber wohl auch zuviel verlangt, wenn schon die „normale“ Modernisierung nicht vom Fleck kommt, gleich eine ökologische Modernisierung herbeizuträumen.