Medwedjews neue Klimaziele

Ein ehemaliger Kollege, Umweltaktivist aus Berufung und tiefgehender Überzeugung (ich verdächtige ihn manchmal heimlich, zur Not auch eine Ökodiktatur befürworten zu können), der inzwischen für eine große Klimaorganisation arbeitet, reagierte schon auf die noch unkonkreten Klimaankündigungen Medwedjews in seiner „Rede zur Lage der Nation“ am vorigen Donnerstag mit großer Hoffnung. Nun bewege sich vielleicht Russland endlich in der Klimafrage in positive Hinsicht. Ich reagierte zurückhaltend, mit Medwedjews (durch Putin) eingeschränkter Macht, vor allem aber seiner bisherigen politischen Bilanz argumentierend: Viele Ankündigungen und Forderungen, wenig Ergebnisse. Klar bei der Bennnung von Problemen, unkonkret darin, wie sie gelöst werden können. Energisch beim Einsatz bürokratischer und technischer Instrumente, zurückhaltend (um es vorsichtig auszudrücken) mit dem Einsatz für politische und demokratische Reformen. Grob gesagt und auf den ewigen innerrussischen Streit zwischen Westlern und Slavophilen bezogen: Medwedjew scheint darin eher Chinese als Europäer.

Auch der neueste Korruptionsindex von Transparency International bestätigt das. Russland klettert 2009 von Platz 147 auf Platz 146. Dieser enorem Aufstieg wird vor allem mit Medwedjews immer wieder öffentlich verkündetem guten Willen begründet, ist also eine Art Vorschuss auf das, was noch kommen mag. Das ist nach rund 18 Monaten im Amt erschreckend wenig.

Doch nun dies. Der russische Präsident verkündet bneim EU-Russland-Gipfel in Stockholm, Russland werde sich verpflichten statt bisher erklärte 10 bis 15 Prozent bis 2020 20 bis 25 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre zu blasen. Selbst kritische russischer Umweltaktivisten wie die Gruppe Ecodenfense! begrüßen das als eine Schritt in die richtige Richtung. beifall von EU-Seite hat Medwedjew dafür auch reichlich bekommen. Die Frankfurter Rundschau kommentiert zum Beispiel online „Mehr als nur heiße Luft„. Es gibt aber auch kritische Stimmen. Die Financial Times Deutschland hält die Ankündigung für einen Bluff und titelt „Russland foppt die EU mit einem Klimastunt„. Ja was nun?

Wie so oft in dieser Zeit, wenn es um Russland geht: Von beidem etwas. Und wie ebenso oft: Das Gute liegt eher in der Symbolik, das Konkrete dagegen verharrt im Nebulösen. Natürlich ist es gut und wichtig, wenn sich Medwejew international so deutlich bewegt und auch von seinem  Vorgönger Putin abhebt, der vor noch nicht allzulanger Zeit Witze über den Klimawandel zu machen pflegte, wie den in Russland weit verbreiteten (und oft gar nicht witzig gemeinten), dass diesem kalten Land ein paar Grad Erwärmung nicht schlecht täten, sondern zu einer geringeren Heizrechnung im Winter verhülfen. Auch im Land gewinnt das Thema damit zumindest ein wenig an Seriösität (auch wenn viele Russen politischen  Ankündigungen aus langer Erfharung erst einmal skeptisch-reserviert gegenüber stehen). Zudem entspricht das neue Klimaziel einer anderen angekpndigten Anstrengung, nämlich in Russland die grauenhaft miese Energieeffizienz bis 2025 um 40 Prozent zu steigern. Sollte das gelingen, wird es nicht so schwer, die von Medwedjew gestern angekündigten Klimaziele zu ereichen. Und umgekehrt sind diese Ziele ein weiterer Anreiz, die Energieeffizienz erheblich und möglichst schnell zu verbessern.

Die Probleme liegen an zwei anderen Stellen. Schon in Bezug auf die Verbesserung der Energieeffizienz ist weitgehend unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Das gilt auch für die Klimaziele. Das Problem des gegenwärtigen politischen Systems ist es, Politik von oben herab zu machen, ohne wirklich die Macht der Durchsetzung zu haben. Anders gesagt, würde man gern China spielen, hat aber vor zwanzig Jahren die kommunistische Partei abgeschafft. Doch bei allem Autoritarismus (und den Leiden die er schafft) bleibt die Durchgriffskraft gering. Anders ausgedrückt: das System Putin kann erfolgreich Machterhalt generieren, aber es scheitert bisher darn, das Land und die Gesellschaft zu modernisieren. Oder noch anders: Es möchte das Land modernisieren, aber ohne die Gesellschaft. Und das geht nicht.

 Das zweite Problem ist eigentlich kein Problem, sondern ein Trick. Die nun von Medwejew verkündeten 20 oder 25 Prozent CO2-Reduktion bis 2020 mit Bezugsjahr 1990 sind zwar mehr als vorher, aber immer noch alles andere als ambitioniert. Selbst ohne die angestrebte Steigerung der Energieeffizienz sind sie bei einem moderaten wachstum in den kommenden Jahren erreichbar. Russland wird noch lange vom Zusammenbruch der sowjetisch-russischen Industrieproduktion nach 1990 profitieren (wie ja auch Deutschland, dessen Klimabilanz ohne den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft wenig beeindruckend ausfiele).

Trotzdem hat die Medwedjew-Ankündigung auch einen außenpolitischen symbolischen Wert, indem sie sich vom US-amerikanisch-chinesischen Klimasonderweg absetzt. Dieses Dissidenten-Duo ist schon eine fast unerträgliche Belastung für alle künftigen verbindlichen Klimavereinbarungen. Mit Russland als Trio wäre es ihr Tod.


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