Iran-Limbo: Warum Russland in Bezug auf das iranische Atomprogramm ein unsicherer Kantonist bleiben wird

Wieder einmal scheint es als ob Russland bereit sei auf eine härtere Linie gegenüber dem Iran einzuschwenken, sollte Iran nicht bald den internationalen Kompromiss im Streit um sein Atomprogramm annehmen. „Unser Ziel ist klar: ein transparentes Atomprogramm statt eines Programms, das die Sorgen anderer erregt“, sagte Medwedew gestern nach einem Treffen mit US-Präsident Obama am Rande des APEC-Treffens inSingapur. Schon in den vergangenen Wochen hatte sich der Ton aus Moskau gegenüber Teheran verschärft. Heute meldeten russische Medien, die Lieferung von Bremmstoff für den iranischen Reaktor in Buscher werde sich weiter verzögern. Ein hohes Mitglied des iranischen Verteidigungsrat beschwerte sich gleichzeitig darüber, dass der Iran schon seit mehr als sechs Monaten auf die zugesagte Lieferung russischer S-300-Luftabwehrgeschütze warte.

Darf man also damit rechnen, dass Russland, vorausgesetzt der Iran bewegt sich nicht, in absehbarer Zeit doch wirksamen Sanktionen zustimmt? Wohl eher nicht. Nicht dass die russische Führung ein Interesse an einem atomar beaffneten Iran hätte. Das beileibe nicht. Sie hat aber auch kein Interesse an einem schnellen Ende der Krise. Der Grund ist einfach und materiell: Die Irankrise hält den Ölpreis hoch. Für Russland sind regelmäßige kleinere Krisenverschärfungen, die die Furcht vor einem großen Zusammenstoß zwischen den USA und dem Iran wach halten, bares Geld wert. Und das in Zeiten, in denen die russische Wirtschaft in anderen Bereichen wenig erarbeitet.

Ich will versuchen, das ein wenig konkreter werden zu lassen. Die russische Regierung wird über Ölexportsteuern in diesem Jahr, wie Mac Broderick in der Moscow Times von heute in vorrechnet, rund 130 Milliarden US-Dollar einnehmen. Jeder Dollar mehr pro Barrel bringtg zwei zusätzliche Dollar in die russischen Staatskasse. Vor der Krise glaubte es sich die russische Staatsführung leisten zu können, ihre Dollarmilliarden in politischen Einfluss umwandeln zu können. Inzwischen ist dagegen der umgekehrte Weg attraktiv (und vielleicht notwendig) geworden: Politischen Einfluss in Dollarmilliarden zu verwandeln. Die Krise hat die russische Führung gelehrt, dass auch über 600 Milliarden Dollar Gold- und Devisenreserven nicht allzu lange reichen, wenn es hart auf hart kommt. Nach Einschätzung selbst des Finanzministeriums wird die russische Regeirung bereits im nächsten Jahr ausländische Kredite brauchen, um ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen, sollte sich der Ölpreis nicht erheblich nach oben bewegen. Im Jahr darauf werden es schon richtig große Kredite sein müssen.

Die Irankrise war und ist eine der Gründe für den seit dem Tiefstand im Frühjahr wieder ansteigenden Ölpreis. Sollte die schwelende Krise zu einem offenen Konflikt werden und der Iran seine Drohung wahr machen, die Straße von Hormus zu blockieren, dann könnte der Ölpreis sich auch in kurzer Zeit vervielfachen – mit entsprechendem Gewinn für den Megaexporteuer Russland. Damit soll nicht gesagt sein, Russland werde den Konflikt aktiv schüren und dem iran in seinem Atomprogramm helfen. Da sei das Unwohlsein vor einer weiteren Atommacht in der Näher der russischen Südgrenze vor. Aber eine Lösung, ein Ende des Konflikts durch einen Kompromiss zwischen dem Iran und dem Westen hätte für Russland gleich mehrere Nachteile. Zum einen würde sich die Lage auf dem Öl-Markt entspannen und aller Voraussicht nach der Ölpreis  ein wenig nachgeben oder nicht so stark steigen, wie er es unter Krisenbedingungen tut. Zum anderen würde ein solcher Kompromiss auch den Weg zu Gaslieferungen aus dem Iran in die EU frei machen. Russland verlöre dann das gegenwärtige Fastmonopol für Lieferungen aus dem Osten und wohl, neben einem scharfen, wenn auch zweischneidigen politischen Druckmittel, auch viel Geld.


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