Putin und der Musiker. Oder: Ein ungeplantes Gespräch über Demokratie

Dies ist die Geschichte eines in Russland seltenen Gesprächs zwischen Machthaber und Opposition. Zustande kommen konnte es nur, weil die Opposition im Gewand der sogenannten „Intelligenzija“ daher kam. Eine fast schon sowjetische Aufführung. Dann aber doch wieder nicht sowjetisch, weil alles nicht nur  öffentlich und vor Fernsehkameras geschah, sondern auch noch vom staatlichen 1. Fernsehkanal ins Internet gestellt wurde. Die kleine Geschichte hat etwa ein Dutzend Handelnde, von denen hier drei auftreten werden: Ministerpräsident Wladimir Putin, der Musiker Jurij (Jura) Schewtschuk und der Schauspieler Oleg Basilaschwili.

Putin muss ich nicht vorstellen, aber ein paar Worte zu den anderen beiden können zum Verständnis nicht schaden:

Jura Schewtschuk kennt in Russland fast jeder. Seine Rockgruppe DDT hat zwar ihre wirklichen Sternstunden schon in den 1990ern hinter sich gebracht, doch der Frontmann, Songschreiber, Sänger und Dichter Schewtschuk konnte den Ruhm bewahren. Seine Lieder „Schto takoje osen“ (Was ist der Herbst), „Aktisa vesna“ (Schauspielerin Frühling), vor allem aber „Rodina“ (Vaterland) kennen fast alle, die meisten auswendig. Vor allem Vaterland gilt als Hymne aller Nicht-Hurra-Patrioten. Schewtschuk hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder offen und öffentlich kritisch über das Putin-Regime geäußert und nimmt regelmäßig in seiner Heimatstadt St. Petersburg an den oppositionellen „Märschen der Nichteinverstanden“ teil.

Oleg Basilaschwili ist ein sehr bekannter und populärer russisch-sowjetischer Schauspieler georgischer Herkunft, der besonders in der Perestroika-Zeit und in den ersten Jahren danach auf demokratischer Seite politisch engagiert war. Auch er kommt aus St. Petersburg.

 Schewtschuk und Basilaschwili nun gehörten vergangenen Freitag zu einer Gruppe von Künstlern, die zu einem Gespräch mit Putin eingeladen wurden. Sie hatten zusammen Geld für eine neue Kinderkrebsklinik in St. Petersburg gesammelt und das Geld war im Beisein Putins übergeben worden. Beim Gespräch kam es zu einer Auseinadersetzung zwischen Putin und Schewtschuk (dem Basilaschwili später beisprang), über die im russischen Internet rege diskutiert wird.

Hier erst einmal das, ich entschuldige mich, etwas längere Gespräch. Die Sprache ist lebendig, nicht schriftlich gefeilt, oft werden Gedanken nicht zu Ende geführt, immer wieder gibt es Wiederholungen. Die Lektüre lohnt sich aber gerade deswegen, weil sie einen Einblick in Putins Denken und handeln gibt, der bei den sonst üblichen Inszenierungen selten zu bemerken ist. Schon der Einstieg ist bemerkenswert und für Putin typisch. Schewtschuk fängt an zu sprechen, Putin unterbricht ihn und fragt, mit wem er es denn zu tun habe. Schwetschuk antwortet einfach: „Jura Schewtschuk“. Eine deutlicher Versuch von Putin, gleich zu Anfang zu zeigen, wer Herr im Hause ist, denn niemand im Land glaubt, der Petersburger Putin (eine Berühmheit im ganzen Land) könne den Petersburger Schewtschuk (eine Berühmheit im ganzen Land) nicht kennen. Das wäre so, als ob der Hannoveraner Gerhard Schröder die Hannoveraner Scorpions nicht kennte.

Nun das Gespräch:

Schewtschuk:
„Ganz einfach. Bei mir hat es gestern geklingelt und einer Ihrer Mitarbeiter,
wahrscheinlich, irgendeiner (ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern) hat
mich gebeten, Ihnen keine scharfen Fragen zu stellen, politische und so weiter…

 

Putin: Und wie
heißen Sie, Entschuldigung?

 

Schewtschuk: Jura
Schewtschuk, Musiker.

 

Putin: Jura, das
ist eine Provokation.

 

Schewtschuk: Eine
Provokation, meinetwegen.

 

Putin: Mein
Mitarbeiter hat sie aus diesem Grund nicht anrufen können.

 

Schewtschuk: Dann
eben nicht Ihr Mitarbeiter, sondern irgendein Sonderling.

 

Schewtschuk: Ich
habe Fragen. Ehrlich gesagt, haben sie sich schon lange angesammelt und die
Gelegenheit nutzend möchte ich allen hier Versammelten ein großes Dankeschön
sagen, weil Sie vor sich, mag sein, die Anfänge einer wirklichen
Zivilgesellschaft sehen, über die Sie reden und von der wir träumen.

Was will ich sagen. Ich habe mehrere Fragen. Erstens – Freiheit. Das ist so ein Wort. Pressefreiheit, Informationsfreiheit, weil
das, was gegenwärtig im Land vor sich geht –  das ist ein ständisches Land, und das schon
Tausend Jahre lang. Es gibt Fürsten und Bojaren mit Blaulichtern, und es gibt
das geknechtete Volk. Der Abgrund dazwischen ist riesig. Sie wissen das alles.

Auf der anderen
Seite gibt es nur einen einzigen Ausweg – dass alle vor dem Gesetz gleich sind:
Sowohl die Bojaren als auch das geknechtete Volk. Dass die Bergarbeiter nicht
auf die Schlachtbank gehen wie die Strafbatallione. Das alles menschlich
zugeht, dass die Menschen im Land frei sind und sich selbst achten. Und dann
heben wir den Patriotismus. Weil man Patriotismus mit Plakaten nicht herstellt
(…)

Wir sehen das
Plakat, eine äußere Erscheinung. Ein Versuch, Patriotismus hervorzubringen,
irgendein Gewissen im Land durch Hymnen und Märsche und so weiter. Wir haben
das alles schon durchgemacht. Nur die Zivilgesellschaft und die Gleichheit
aller vor dem Gesetz – absolut alle: und Sie und ich – dann fängt irgendetwas
an. Wir werden Krankenhäuser bauen und Kindern helfen, Kindern und Krüppeln und
Alten. All dass wir von Herzen kommen, aufrichtig und ehrlich.

Aber dafür
brauchen wir Pressefreiheit, weil es sie im Moment nicht gibt. Es gibt
eineinhalb Zeitungen und einen halben Fernsehkanal. In Wirklichkeit ist dass,
was wir im „Kasten“ sehen, dass ist noch nicht einmal Polemik, das sind die
gleichen Märsche und Hymnen.

Tatsächlich
wächst die Zahl der Protestwähler im Land, und Sie wissen das. Es gibt viele
mit der gegenwärtigen Situation Unzufriedene. Was denken Sie was passieren
wird, wenn Sie eine wirklich ernsthafte, aufrichtige, ehrliche Liberalisierung
und Demokratisierung in einem echten Land planen würden? Dass man
zivilgesellschaftliche Organisationen nicht erstickte, dass die Leute aufhörten
die Milizionäre auf der Straße zu fürchten. Weil der Milizionär jetzt seinen
Chefs dient und seiner Geldbörse, aber nicht dem Volk.

Überhaupt haben
wir sehr viele Repressionsorgane. Ich stelle diese Frage aufrichtig. Und
schließe mit dieser Frage: Am 31. Mai wird es einen „Marsch der
Nichteinverstandenen“ in St. Petersburg geben. Wird er auseinandergejagt
werden?

Das war alles.

 

Putin: Alles?

 

Schewtschuk:
Einstweilen ja. Ich kann ihnen geben, was wir mit den Kumpels zusammen gestellt
haben. Nicht einmal zusammen gestellt, sondern irgendwelche Tatsachen, darüber,
was im Land vor sich geht, unsere Meinung.

 

Putin: In
Ordnung. Das werde ich mir unbedingt anschauen. Zu allererst will ich sagen,
dass es ohne eine normale demokratische Entwicklung keine Zukunft für das Land
geben wird.

 

Schewtschuk:
Natürlich wird es kein geben.

 

Putin: Das ist eine
offensichtliche Tatsache. Weil sich ein Mensch nur in einer freien Gesellschaft
realisieren kann. Und indem er sich selbst verwirklicht, entwickelt er das
Land, entwickelt er die Wissenschaft, und er entwickelt die Produktion – auf
dem allerhöchsten Standard. Wenn es das nicht gibt, dann kommt es als Folge zur
Stagnation. Das ist eine offensichtliche Tatsache und wird von allen begriffen.
Das ist die erste These.

Die zweite. Alle müssen im Rahmen des Gesetzes
handeln, sie haben absolut Recht. Von diesem Moment an beginnen Sachen, die
eine professionelle Zugang erfordern. Sie haben an die Bergleute erinnert.

 

Schewtschuk:
Ja.

 

Putin: Ich kann
Ihnen sagen, dass ich mir das alles sehr zu Herzen nehme, was dort passiert.

 

Schewtschuk: Ich
auch.

 

Putin: Aber ein
professioneller Zugang fordert eine abgewogene Analyse sowohl der rechtlichen
als auch der wirtschaftlichen Situation.

 

Schewtschuk:
Einverstanden.

 

Putin: Warum ist das da passiert, einer der Gründe? Mir wurde gesagt,
dass einer der Gründe ist, dass der feste Anteil des Lohns in einigen
Schächten, wie in „Raspadskoj“ zum Beispiel, 45-46% beträgt und alles andere
ist so eine Art Prämie. Und für diese Prämie sind die Leute bereit die
Sicherheitsbestimmungen zu verletzen.

 

Schewtschuk: Das
ist mir auch bekannt.

 

Putin: Ich habe
diese Entscheidung getroffen und die entsprechende Anordnung gegen, dass die
Grundvergütung nicht weniger als 70% betragen soll. Aber, Jura, ich möchte
Ihnen etwas über die zu verkoksende Kohle sagen. Damit beginnt jetzt der
professionelle Teil. Es gibt „energetische“ Kohle, bei der das
Retabilitätsniveau viel geringer ist. Und das sitzt alles in den Tarifen, in
den Grundlöhnen. Wenn wir sie also ohne nachzudenken erhöhen, dann kann es dazu
kommen, dass die Gruben, in denen diese „energetische Kohle“ gefördert wird,
einfach zumachen müssen, nicht mehr rentabel sein werden. Wenn Sie aber für
eine Marktwirtschaft eintreten und nicht für eine Planwirtschaft? Dann machen
sie zu. Das ist nur ein Teil.

 

Nun sagen Sie,
dass die Miliz nur den Chefs dient. Wir haben genug von jederlei Volk in der
Miliz. Das ist ein Schnitt durch unsere Gesellschaft. Ja, das ist Teil unseres
Landes und dort sind die Menschen nicht vom Mars gekommen. Dort gibt es
Menschen, die mit Glaube und Recht ihrem Volk dienen. Und die damit nicht nur
ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Auch ihr Leben schonen sie nicht, und Kugeln
setzen sie sich aus. Da gibt es die Verkehrspolizisten, die auf der Straße
„Knete abziehen“ und „ihren Anteil abheben“, es gibt solche. Aber es gibt auch
welche, die sich mit ihrem Körper schützend vor Kinder stellen und dabei umkommen.
Auch solche gibt es. Alle deshalb im gleichen Schwarz zu malen halte ich für
ungerecht.

 

Schewtschuk: Das
tue ich nicht.

 

Putin: Sie malen
nicht, aber Sie haben gesagt, die „Bullen“ dienen den Chefs und nicht dem Volk.

 

Schewtschuk:
Größtenteils ja. Ich gehe auf den „Marsch der Nichteinverstandenen“.
Wir sind 500 Menschen und
zweieinhalb Tausend Polizisten aus Sondereinsatzkommandos (russisch: OMON, JS).
Haben wir jemanden umgebracht oder abgestochen?

 

Putin: Ich habe
Ihnen aufmerksam zugehört und Sie nicht unterbrochen. Sonst kommt hier keine
Diskussion zustande, sondern wir bekommen einen Basar.

 

Ich bin der
Meinung, dass es nicht gerecht ist, alle über einen Kamm zu scheren. Obwohl wir
da genug Probleme haben. Das Niveau der allgemeinen Kultur ist so: Sobald ein
Mensch irgendeinen Dienstausweis, einen Schlagstock in die Hand bekommt, dann
schwenkt er ihn sofort herum und versucht damit Geld zu verdienen. Aber das
gilt nicht nur für die Miliz, das gilt für jede beliebige Sphäre, in der es
staatliche Vollmachten gibt und die Gelegenheit einer verrückten
administrativen Rente.

 

Zum „Marsch der
Nichteinverstanden“. Es gibt bestimmte Regeln, die vorsehen, dass solche
Veranstaltungen von den lokalen Behörden reguliert werden. Außer den Menschen,
die auf den Marsch der Einverstandenen oder der Nichteinverstandenen gehen,
gibt es noch andere Leute, deren Rechte wir nicht vergessen dürfen.

 

Wenn Sie sich
entscheiden, einen „Marsch der Nichteinverstandenen“ durchzuführen, – ich bitte
um Verzeihung für zu scharfe Dinge – zum Beispiel bei einem Krankenhaus, wo sie
kranke Menschen stören, wer von den lokalen Behörden wird Ihnen da erlauben,
dort diesen Marsch durchzuführen? Und sie machen es richtig, dass sie das verbieten!

 

Schewtschuk:
Kann ich antworten?

 

Putin: Nein! Und Sie wollen ihn nun dort durchführen, wo die
Menschen am Freitag zur Datscha fahren wollen, einfach zum Beispiel. Oder am
Sonntag Abend, wenn sie von er Datscha zurück kommen. Die werden sie unter
Unflätigkeiten begraben! Und die lokalen Behörden zusammen mit ihnen.

 

Aber das soll
keinesfalls bedeuten, das sie die Behörden hinter solchen Dingen, über die ich
gesprochen habe, verstecken dürfen (oder als Übersetzung auch möglich: sollen;
JS), und unmögliche Bedingungen für die Ausübung der Redefreiheit schaffen.
Aber das ist eine Frage, die gemeinsam mit den Behörden entschieden werden
muss.

 

Ich hoffe, dass
es in Petersburg genau so gemacht werden wird, also vernünftig: mit dem Recht
der Menschen, ihre Ablehnung mit der staatlichen Politik zu diesen oder jenen
Fragen auszudrücken. Aber auch damit, dass die Menschen, die an diesem Marsch
teilnehmen werden, andere nicht stören, die nicht demonstrieren wollen, sondern
einfach rechtzeitig nach Hause kommen wollen, zu ihrer Familie fahren, ihren
Kindern und so weiter. Das muss man ausarbeiten.   

 

Letztendlich will ich, dass Sie verstehen. Mich, und ich bin überzeugt auch anderen
Vertretern der Staatsmacht, stört das nicht, im Gegenteil, es hilft.

 

Schewtschuk:
Natürlich.

 

Putin: Wenn ich
sehe, dass die Menschen nicht einfach nur auf die Straße gehen, um
„rumzustänkern“ und aus PR-Zwecken für sich selbst, sondern etwas Handfestes,
Konkretes sagen, auf irgendwelche wunden Punkte weisen, denen der Staat
Aufmerksamkeit schenken soll, was ist daran schlecht? Da muss man danke sagen.

 

Schewtschuk:
Genau.

 

Putin: So denke
ich darüber.

 

Schewtschuk: Aber
sehen Sie, die lokalen Behörden überziehen sofort wieder alle Plätze mit
irgendwelchen Karussels an genau dem Tag. Hier gibt es sehr viel Heuchelei.

 

Putin: Hier bin
ich mit Ihnen einverstanden.

 

Schewtschuk: Ich
möchte Ihnen sagen, dass sich im vergangenen Jahr die ganze Stadt für die
Erhaltung des architektonischen Zentrums Petersburgs eingesetzt hat. Wie groß
der Druck war, können Sie sich gar nicht vorstellen, ganz schrecklich war das!
Wir haben aber für die Stadt gekämpft – Sie sind doch in ihr geboren – für
diese wunderbare, diese Kleinod der Welt. Und was es da alles nicht gab, welche
Hürden man aufgestellt hat. Und das Volk wird dadurch nur wütend. Warum wird das gemacht? Sie haben doch großes Gewicht, man muss da
doch irgendwie…

 

Putin: 76
Kilogramm.

 

Schewtschuk: Was
soll das nun?

 

Basilaschwili:
Erlauben Sie mir Jura beizustehen, Wladimir Wladimirowitsch. Wirklich nur ein
Wort.

 

Putin: Natürlich,
Oleg Walerijanowitsch

 

Basilaschwili:
Wegen des Baus dieses Wolkenkratzers. Ich wage nicht darüber zu urteilen, ob er
nun schön oder hässlich ist, das geht mich nichts an. Mag sein, dass er
herrlich ist. Aber die Meinung der Mehrheit der Menschen, die irgendeine
Verbindung zu Petersburg haben, die Stadt Lieben und ihre Geschichte kennen,
ist, dass man ihn am vorgesehenen Platz auf keinen Fall aufstellen darf. Umso
mehr als er 300-400 hoch werden soll.

 

Es gibt es
Bundesgesetz und ein städtisches Gesetz – und alle Normen werden unverschämt
gebrochen und uns lacht man ins Gesicht. Wir haben das Gefühl, dass die
Staatsmacht oder irgendwer da oben, uns sagen möchte, Leute, die Gesetze sind
für Euch gemacht, geht in den Sumpf, aber wir machen, was wir wollen. Und immer
wieder wird geschrieben: „Das passiert, passiert, passiert“. Ich fürchte, dass
es nicht einmal um den „Gaskratzer“ geht (der Wolkenkratzer wird von Gasprom
geplant; JS). Den könnte man letztendlich auch wieder abreißen. Es geht um die
Konfrontation, die zwischen der Staatsmacht und den einfachen Menschen
entsteht, denjenigen, die fühlen, dass ihre Meinung ignoriert wird. Die
Unzufriedenheit wächst immer mehr, mehr und mehr. Ich stimme mit Jura in dieser
Hinsicht überein. Ich habe nur ein kleines Beispiel gebracht, aber solche
Beispiele gibt es zu Hunderten. 

 

Schewtschuk:
Millionen.

 

Putin: Oleg
Walerijanowitsch, das ist kein kleines Beispiel, sondern gerade ein großes.

 

Basilaschwili:
Ja.

 

Putin: Ein sehr hohes. Natürlich müssen alles das Gesetz beachten. Das
ist eine völlig offensichtliche Tatsache. Als ich Jura auf seine Frage
geantwortet habe, habe ich meine Position formuliert. Wenn Sie sich erinnern,
dann wurde ich seinerzeit kritisiert, als ich, noch am Beginn der 2000er Jahre,
über die „Diktatur des Gesetzes“ gesprochen habe. Bis heute bin ich der
Überzeugung, dass das eine richtige Wortverbindung ist. Dabei meine ich die
Beachtung des Gesetzes durch alle: Und die Staatsmacht, und die einfachen
Bürger, und die Vertreter verschiedener Macht- und Lenkungsorgane.   

 

Ich werde jetzt
nicht meine endgültige Meinung über diesen Turm sagen. Ich will sie nicht
öffentlich formulieren. Das müssen die städtischen Behörden entscheiden, das
ist offensichtlich. Es versteht sich, dass das in solchen Fällen im Dialog mit
der Öffentlichkeit geschieht. Das ist eine offensichtliche Tatsache.

 

Sie wissen, dass
wir uns oft, fast immer mit unseren westlichen Nachbarn vergleichen, und immer
sagen, dass wir schlechter sind, und damit unsere eigene nationale Würde
erniedrigen. Lassen Sie uns London anschauen, oder lassen Sie uns auf Paris
schauen. Das Centre Pompidou ist wie gebaut? Was befindet sich im Zentrum des
Louvre?

 

Basilaschwili:
Eine schreckliche Sache.

 

Putin: Ich
bewerte das jetzt nicht. Ich rede nur darüber, was dort passiert.

 

Basilaschwili:
Sollen die sich doch ein Beispiel an uns nehmen und nicht wir eines an ihnen.
Es ist Zeit, mit diesen Wolkenkratzern aufzuhören. Überall auf der Welt werden
schon keine Wolkenkratzer mehr gebaut, aber wir stellen einen mitten in die
Newa.

 

Putin: Oleg
Walerijanowitsch, ich spreche gar nicht davon, ob das gut oder schlecht ist.
Ich sage einfach, dass es das überall auf der Welt gibt. Es gibt Anhänger so einer
Philosophie der Entwicklung des Städtebaus. Die gibt es bei uns und in der
Welt. Ich wiederhole, ich gebe jetzt keine Bewertung ab, wer Recht und wer
Schuld hat. Aber ich bin mit Ihnen fraglos einverstanden, dass die Staatsmacht,
wenn sie so eine Entscheidung trifft, das im Dialog machen muss, zu hören muss
und die öffentliche Meinung im Auge haben muss.

 

Basilaschwili:
Vor allem muss sie sich am Gesetz orientieren.

 

Putin: Und sich
natürlich am Gesetz orientieren. Und nicht orientieren, sondern es
ausschließlich beachten.  

 

Basilaschwili:
Gesetze, die in diesem Fall verletzt wurden.

                       

Ende des Gespächs (Übersetzung von mir). Die russische Version kann auf der Internetzeitung Newsru.com nachgelesen werden. Dort gibt es auch ein Video mit einem Teil des Gesprächs zwischen Schewtschuk und Putin. Schewtschuk äußerte sich später in einem Interview mit Radio Swoboda. Er habe die Überzeugung gewonnen, Putin wisse sehr wohl, dass die Stimmung im Land immer angespannter schlechter werde und dass er sehr wohl davon beunruhigt sei.


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