Budanow vs. Bachmina – Recht und Moral in Russland

Jurij Budanow wurde 2003 zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil er drei Jahre zuvor die 18-jährige Tschetschenin Elsa Kungajewa festgenommen, in sein Zelt geschleppt, angeblich verhört und danach erschossen hatte. Budanow war damals Oberst der russischen Armee und Kommandeur eines Panzerregiments. Eine Anklage wegen Vergewaltigung wurde während des Gerichtsverfahrens fallen gelassen. Der Fall Budanow spaltete schon damals das Land. Der Angeklagte zeigte keine Reue. Er bestritt die Tötung nicht, rechtfertigte sie aber mit der Behauptung, Elsa Kungajewa sei eine „Terroristin“ gewesen. Vor dem Gericht demonstrierten immer wieder Menschen, die die Freilassung des „Helden Budanow“ verlangten. Das Verfahren wurde zu einer Prüfung, ob der russische Staat gewillt war, im Tschetschenienkrieg begangene Verbrechen zu bestrafen. Nach vielem Hin und Her – Budanow wurde mehrfach freigelassen und wieder festgenommen – standen zehn Jahre. Eine lange Zeit, aber in Russland auch heute noch ein recht mildes Urteil für einen brutalen Mord.

Swetlana Bachmina ist Juristin und sie arbeitete im Vorstand des Ölkonzerns JuKOS. Sie wurde im Dezember 2004 verhaftet, weil sie angeblich verantwortlich für Steuerhinterziehung in Millionehöhe war und nach der Verhaftung von JuKOS-Chef Michail Chodorkowskij den aus Sicht der Staatsanwaltschaft rechtswidrigen verkauf von JuKOS-Anteilen organisierte. Das Urteil gegen sie lautete sechseinhalb Jahre Gefängnis. Selbst kremlnahe Juristen wie Michail Barschtschewskij, bevollmächtigter Vertreter der russischen Regierung beim russischen Verfassungsgericht, gestanden, das Urteil nicht nachvollziehen zu können. Es gebe weder einen Geschädigten, noch habe Frau Bachmina einen Vorteil von dem angeblichen Verbrechen gehabt. Ihren Anwälten zufolge wird sie dafür bestraft, nicht gegen Michail Chodorkowskij falsch ausgesagt zu haben. Swetlana Bachmina, die zwei kleine Söhne hat, sitzt bis heute im Lager. Ende November hat sie dort eine Tochter geboren.

Was haben diese beiden so unterschiedlichen Fälle miteinander zu tun? Beide, Bachmina und Budanow haben ihre Entlassung auf Bewährung beantragt. Budanows Antrag wurde stattgegeben. Er wird in Kürze das Lager verlassen. Bachminas Antrag hängt in der in Russland so üblichen Gerichtsschleife. Immer wieder vertagt sich das Gericht, um der Entscheidung zwischen einem rechtlichen und einem politischen Urteil zu entgehen. Budanow hat sein Verbrechen bis heute nicht gereut, ja er hat den Eltern seines Opfers für die Zeit nach seiner Entlassung gedroht. Bachmina hat in ihrer Not schon um Begnadigung gebeten und deshalb gestanden und bedauert, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht getan hat. Doch der zuständige Präsident Dmitrij Medwedjew schweigt. Jurij Budanow ist das hässliche Gesicht des gewalttätigen Teils Russland. Und dieses hässliche Gesicht zeigt sich immer offener.

 


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