Meist ohne große Sympathie für die Angeklagten zu zeigen, zweifelt doch kaum jemand in Russland daran, dass auch der zweite Prozess gegen Michail Chodorkowskij und Platon Lebedew ein politischer Prozess ist. Auch im deutschen Bundestag dürften sich nur vereinzelte Abegeordnete finden, die das Verfahren als einwandfrei rechtsstaatlich bezeichnen würden. Wie auch in diesem Blog schon mehrfach beschrieben, ist dieser Prozess darüber hinaus von enormer Wichtigkeit für die politische Entwicklung in Russland. Die Verhaftung Michail Chodorkowskijs im Herbst 2003 markierte die das Ende aller Hoffnungen auf eine auch nur einigermaßen demokratische Entwicklung in Russland unter Wladimir Putin. Eine erneute Verurteilung würde als Signal aufgefasst, dass dieser Weg auf unabsehbare Zeit beibehalten wird. Natürlich geht es auch darum, dass hier zwei Menschen unberechtigter und ungerachter Weise für lange Zeit weggeschlossen werden. Das sind zwei menschliche Tragödien. Aber der politische Kontext macht sie zu mehr. Chodorkowskij und Lebedew wissen das. Zurück nach Deutschland:
Dort haben die Grünen im Bundestag, angeführt von Marieluise Beck, einen interfraktionellen Antrag eingebracht, der die Sorge um den politischen Missbrauch des gerichts im fall Chodorkowskij zum Ausdruck bringt und die russische Führung zu mehr Rechtsstaatlichkeit auffordert. Soweit, so harmlos, könnte man denken. Nicht so bei den Genossen Sozialdemokraten (die Genossen der Linkspartei lassen wir hier mal außen vor, da wirken noch ganz andere Anhänglichkeiten). Sie zieren und sie wenden sich. Eine scharfe Erklärung passt so gar nicht ins Konzept der Steinmeierschen Wandlungsannäherung oder Anbnäherugnswandlung, wie auch immer. Erst unter Druck und drohender Öffentlichkeit (siehe dazu Spiegel-Online und Süddeutsche) kommen sie mit einem eigenen, allerdings windelweichen Entwurf. Doch da freut sich, neben den Grünen, schon der Koalitionspartner.
Der Union kommt es im Wahlkampf gerade Recht, den Gegner ein wenig vorführen zu können. Vor allem, weil es wenig kostet. Denn außer ein paar symbolischen Akten, unterscheidet sich die Merkelsche Russlandpolitik ja nur wenig von der Schröderschen. Immerhin gibt es keine Verbrüderungen mehr, zuminest keine öffentlichen. Das mag in Deutschland schon viel sein. Von Russland aus wirkt es enttäuschend. Mit der angedrohten Zustimmung zum Grünen-Antrag piesacken die CDUler ihre SPD-KollegInnen nun zwar ein bisschen. Wenn es aber in einer Woche im Bundestag zum Schwur kommt, dürfte die Koalitionsdisziplin stärker sein als alle Einsichten und Lustbarkeiten. Da sei das Kanzleramt davor.
Denn auch Angela Merkel möchte es sich mit den Mächtigen Russlands nicht verderben. Haben die doch gerade ein wenig den Klingelbeutel aufgemacht, um Opel zu helfen. So sieht es zumindet aus, denn die mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche russische Sberbank soll künftig 30 Prozent der Opel-Aktien halten. Und zudem gibt es noch Zukunftsaussichten gratis in From einer Zusamenarbeit mit dem russischen Autobauer GAZ (Gorkier Automobilfabrik) auf dem als „perspektivisch“ gepriesenen russischen Automarkt. Da soll sich GAZ nämlich auskennen und beim Verkauf vieler Opels behilflich sein. Wenn das nur nicht schief geht. Die GAZ-Produktionsbänder stehen schon länger mehr still, als dass sie laufen. Selbst hartgesottene Sowjetpatrioten wollen keine „Wolgas“ aus Nischnyj Nowgorod mehr kaufen. Gegen die ehemaligen sowjetischen Beamtenkutschen sind selbst die technisch mindestens zwei Autojahrzehnte zurück gebliebenen Ladas Produkte modernster Ingenieurstechnik. Das russische Kalkül ist klar. Die eigene Autoindustrie kommt alleine, ohne internationalen Anschluss nicht auf. Das fast geschenkte Opelstück aus dem General-Motors-Insolvenzkuchen kommt da gerade recht.