Den Ausschluss oder zumindest Teilausschluss russischer Sportler/innen von den Olympischen Spielen haben viele Oppositionelle in Russland begrüßt. Ja, wie auch anderswo, wurde oft der Rückzieher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) kritisiert. Die Entscheidung des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) dagegen, russische Sportler/innen von den Paralympischen Spielen, die in Kürze in Rio beginnen, völlig auszuschließen, ruft auch jenseits der kremlgesteuerten Öffentlichkeit Unverständnis hervor. Da wo es hätte weh tun können, habe man sich nicht getraut. Jetzt, wo es wenig kostet und dazu ohnehin benachteiligte Menschen betroffen sind, denences meist auch im eigenen Land nicht gut geht, werde man plötzlich mutig und vermeintlich konsequent.
Eine kleine Zusammenstellung von russischen Reaktionen in der Presse hat dekoder.de zusammen gestellt. Bekannte russische Menschenrechtler/innen haben einen Appell an den Vorsitzenden des IPC, Philipp Craven gerichtet, den ich unten dokumentiere.
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An den Präsidenten des Internationalen Paralympischen Komitees
Sir Philipp Craven
Offener Appell
Sehr geehrter Herr Craven!
Als Vorsitzende russischer Nichtregierungs- und Menschenechtsorganisationen, die nicht nur die Handlungen des Staates gegen unsere Bürger kritisieren, sondern sich deswegen auch regelmäßig an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, haben wir das moralische Recht zu sagen, das jetzt die Rechte unserer Bürger – von mehr als 200 paralympischen Sportlern – von einer internationalen Organisation verletzt werden. Diese Rechtsverletzung kann noch verhindert werden. Kompromisse sind möglich.
Es darf nicht sein, dass völlig unschuldige Menschen, Sportler, die nicht einmal einer Regelverletzung beschuldigt werden, Opfer einer Sportbürokratie werden.
Das muss unbedingt verhindert werden.
Sie, Herr Craven, sprechen von einer staatlichen Maschine, die Einfluss auf den russischen Sport ausübt. Darüber wollen wir mit Ihnen nicht streiten. Aber warum schließen Sie mit der gleichen Begründung (Einfluss des Staates) aus dem Internationalen Paralympischen Komitee nicht die chinesischen,, die nordkoreanischen, die saudi-arabischen und viele andere Komitees aus? Das ist ganz offensichtlich doppelter Standard. Im Ergebnis werden grundlegende und allmenschliche Werte verletzt.
Die Geschichte kennt traurige Beispiele als unschuldige Bürger grausam für verbrecherische Handlungen ihrer Staaten bestraft wurden. Mitunter sind solche Opfer nicht zu vermeiden. Wichtig ist es aber, alles Mögliche zu unternehmen, um solch ungerechtfertigte Opfer zu vermeiden.
Unschuldige Menschen dürfen niemals kollektiv zur Rechenschaft gezogen werden. Diesem Prinzip folgen wir unser ganzes Leben lang. Wir fordern ständig vom russischen Staat, diesem Prinzip zu folgen, und internationale Organisationen müssen das auch tun.
Wir sind davon überzeugt, dass im vorliegenden Fall ein Kompromiss gefunden werden muss.
26. August 2016
Ludmilla Alexejewa, Vorsitzende der Moskauer Helsinki Gruppe
Walerij Borschtschow, Mitglied der Moskauer Helsinki Gruppe
Swetlana Gannuschkina, Vorsitzende des Komitees „Bürgerbeteiligung“
Jelena Schemkowa, Geschäftsführerin Memorial International
Sergej Kowaljow, Vorsitzender der Internationalen zur Bewahrung des Erbes von Andrej Sacharow
Oleg Orlow, Mitglied im Rat des Menschrechtszentrums Memorial
Lew Ponomarjow, Geschäftsführer der Bewegung „Für Menschenrecht“
Arsenij Roginskij, Vorstandsvorsitzender Memorial International
Übersetzung: Jens Siegert