Ein kleiner, siegreicher Krieg? Erste Gedanken zum russischen Einmarsch in die Ukraine

Schon bevor sich die Ereignisse in der und um die Ukraine am Freitag und Samstag so dramatisch zuspitzten, ging im Internet eine russische Karikatur herum. Hinter einer Ladentheke mit der Aufschrift „Kriegsladen“, stand ein Verkäufer in Uniform und sagte: „Kleine, siegreiche Kriege sind aus. Wir haben nur noch die großen Größen auf Lager.“ Das beschreibt wohl ziemlich gut das Risiko, das Wladimir Putin mit dem Einmarsch auf die ukrainische Krim eingegangen ist: Obwohl es ein kriegerischer Akt ist, muss er einen Krieg vermeiden.

Das klingt auf den ersten Blick, angesichts der enormen Popularität dieses Vorgehens in Russland paradox. Eine große Mehrheit der Menschen im Land ist der tiefen Überzeugung, dass die Krim zu Russland gehört, nicht zur Ukraine. Viele denken da auch von der Ostukraine, aber die emotionale Bindung an die Krim ist viel größer. Wenn Putin es also schafft, die Krim ohne allzu große Opfer (und Kosten, aber die sind erstmal zweitrangig) heim nach Russland zu holen, dann wird er endgültig zum Helden und seine Wiederwahl 2018 dürfte gesichert sein. Aber eben nur, solange die Zahl der Opfer klein bleibt.

Den Preis für eine Ausweitung des Kriegs auf das ukrainische Festland wird Putin nicht sofort zu entrichten haben. Sollte es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen, wird anfangs aller Wahrscheinlichkeit ein überbordender Hurrapatriotismus das Land durchziehen. Aber nach dem Krieg werden die Toten gezählt. Doch vorerst gibt es noch Hoffnung, dass es soweit nicht kommt.

Allerdings ist auch noch nicht zu übersehen, was aus dem schon erfolgten Einmarsch und der Defacto-Abtrennung der Krim von der Ukraine folgt. Als Suchbewegung zitiere ich heute nur drei Facebook-Einträge vom 1. Und 2. März 2014:

Lilia Schewzowa, Moscow Carnegie Center, 2.3.2014:

„Es sieht so aus, als ob das „Gesetz der Harke“ (deren Stiel einen vor die Stirn schlägt, wenn man auf die Zinken tritt, JS) zu funktionieren beginnt. Ich habe Angst, falsch zu liegen. Aber es sieht so aus, als ob der Kreml gemacht hat, was bisher keine politische Kraft in der Ukraine fertig gebracht hat – völlig unterschiedliche politische Segmente zu vereinen, von den Nationalisten über die Kommunisten bis zu den Oligarchen, und das alles auf der Basis der Idee nationaler Befreiung. Der mächtigsten Idee der Welt. Wer hätte sich so etwas ausdenken können? Es scheint, der Kreml hat noch etwas anderes gemacht. Er hat den Westen gezwungen aufzuwachen. Es ist allerdings nicht klar, wir ernsthaft und für wie lange. Vorerst werde ich also pessimistisch bleiben.“

Max Trudoljubow, Leitender Redakteur der Meinungsseite der Tageszeitung Wedomosti: 1.3.2014:

„Etwas weniger als 15 Jahre hat es gedauert, ein politisches System zu bauen, in dem ein Mensch alle Entscheidungen fällt. Dieser Bau bleibt das einzige erfolgreiche Projekt Putins in seiner gesamten Regierungszeit. Es ist auch das teuerste Projekt, weil es immer doe höchste Priorität im Staatshaushalt hatte. Dieser Mensch ist stur auf sein Ziel zugegangen, dem Moment, in dem es keinerlei Bremspedal mehr gibt, auf das irgendwer anderes treten könnte, in dem niemand offiziell ihm vor Gericht widersprechen könnte, mit ihm im Parlament streiten oder ein Veto gegen seine Entscheidung einlegen könnte. Er hat die Freiheit errungen, indem er alle Mechanismen „zum Schutz vor Dummköpfen“ vernichtet hat.“

Kirill Rogow, Kolumnist, Mitarbeiter des Gaidar-Institut, 1.3.2014:

„Das Ergebnis dieses schweren Tages würde ich völlig intuitiv so formulieren: Herr Putin blufft. Er ist verängstigt und blufft. Er möchte gern in Verhandlungen eintreten, um Garantien gegen den unausweichlichen Fall der Ölpreise zu bekommen. Der Westen hat vor einige Bedrohungen Angst, zum Beispiel die Bedrohung durch den islamischen Radikalismus, und ist bereit dafür zu bezahlen, das diese Bedrohungen von Regierungen der entsprechenden Ländern abgewendet werden. Herr Putin will auch, dass man ihn für seine Bedrohungen bezahlt.“