Russland und das Klima werden miteinander warm, wenn auch langsam

Vor zehn Tagen horchte die Klimawelt auf. Präsident Medwedjew verkündete, Russland wolle sich verpflichten, bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 seinen CO2-Ausstoß um 10 bis 15 Prozent zu verringern. Das klang erst einmal viel und unerwartet ehrgeizig, schrumpft nach kurzem Nachrechnen aber schnell zusammen: Wegen des Zusammenbruchs der sowjetischen Wirtschaft und einem Rückgang des Bruttosozialprodukts in Russland zwischen 1991 und 1998 um mehr als 45 Prozent, dürfte Russland selbst bei einer entsprechenden Verpflichtung bis 2020 seinen CO2-Ausstoß gegenüber heute um 30 bis 35 Prozent steigern, wie Oldag Caspar in einem Beitrag im Blog „Klima der Gerechtigkeit“ der Heinrich Böll Stiftung ausführlicher darlegt.

Russland ist so etwas wie die große Unbekannte der internationalen Klimaverhanldungen. Es ist ein Industrieland, dass sich aber gern im Rudel der Schwellenländer versteckt (siehe BRIC). Es gibt größere CO2-Verschmutzer (wenn auch nur wenige beim Pro-Kopf-Ausstoß) und die Kritik der vergangenen Jahre konzentrierte sich auf andere Böse, wie die USA und China. Russland hatte immerhin das Kioto-Protokoll unterzeichnet, wenn auch nichts zu seiner Implementierung getan. Doch sollte man Russlands neu erwachte Klimaambitionen trotzdem nicht einfach abtun. Allein die öffentliche Bereitschaft ist bereits ein Zeichen, wenn auch noch ein schwaches, dass sich in Russland etwas ändert. Das Thema Klima ist ganz oben in der Politik angekommen. Das bedeutet nicht nur Gutes. Wie schon bei der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls liegt das nicht unwesentlich daran, dass die Kreml-Verantwortlichen davon überzeugt sind, bei diesem (vor allem dem Westen so wichtigen) Thema ließe sich international politisch und wirtschaftlich etwas herausholen (was geht, wie der Handel mit der EU beim Kiotoprotokoll gezeigt hat). Aber es bedeutet auch Aufmerksamkeit für das Thema nach innen. Es bedeutet zumindest die Immitation einer nachhaltigen Kilmapolitik, ja einer Klimapolitik überhaupt (die es bisher nicht gab) und damit Chancen für ÖkologInnen, NGOs und auch Wohlmeindenden innnerhalb der staatlichen Strukturen (die es sehr wohl gibt!).

Ein Zeichen dafür ist die Ende April vom zuständigen Minister für Naturressourcen und Ökologie Jurij Trutnjew vorgestellte Entwurf einer staatlichen „Klimadoktrin“ (hier auf Russisch runterladbar), in der, erstmals in einem offiziellen Dokument, der Klimawandel als menschengemacht und eine „Gefahr für die Sicherheit des Staates“ anerkannt wird und Gegenmaßnahmen gefordert werden. Ministerpräsident Putin setzte daraufhin eine interministrielle Arbeitsgruppe ein, die einen nationalen Klimaplan ausarbeiten soll.

Dass sich etwas tut, zeigen auch zwei weitere Dokumente. Laut Verordnung der Regierung Nr. 889 vom 4.6.2008 soll die Energieeffizienz von 2007 bis 2020 um 40 Prozent gesteigert werden. Auch der Anteil von erneuerbaren Energieträgern an der Energieerzeugung soll bis 2020 von bisher weniger als 1 Prozent auf 4,5 Prozent steigen. Die Ernsthaftigkeit dieser Ziele wurde Mitte Juni von ganz anderer Seite bestätigt. Der Leiter der Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz, Burkhard Even, erklärte am 20. Juni in der Welt am Sonntag, russische Spione interesierten sich in Deutschland „vor allem für alternative und regenerative Energiequellen“ und „Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz“.


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